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ARKADI Freiheit oder Tod
von Margaretha Rebecca Hecht Hopfner |
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Etwa 23 km suedoestlich der Stadt Rethymnon auf einem 500 m ueber dem Meeresspiegel gelegenen Plateau inmitten einem gruenen Gebirgshuegelland trotzt das Kloster Arkadi immer noch jedem Angriff auf die Ehre Kretas. Stolz und einsam praesentiert diese uralte Klosteranlage majestaetisch ihre quadratisch angelegten Umfassungsmauern und zwingt den Ankommenden zur Verlangsamung des Tempos, mahnt zum Innehalten und Gewahrwerden, denn er bewegt sich auf einen Ort zu, wo Kreta seine ureigenste Geschichte geschrieben hat.
Ja, in dieser pathetisch erhoehten Stimmung habe auch ich mich vor einigen Wochen befunden, als ich mich in Begleitung eines lieben Bekannten mit dem Auto dem kretischen Nationalheiligtum naeherte.
Innerhalb dieser Klostermauern spielte sich am 9. November 1866 - dem heutigen kretischen Nationalfeiertag - jene blutruenstige Tragoedie ab, die ueber 800 Kretern und mindestens ebenso vielen tuerkischen Soldaten das Leben kostete und die wie kein anderes der ungezaehlten kretischen Blutopfer waehrend des niemals aufgegebenen Kampfes gegen die Jahrhunderte dauernde Herrschaft verschiedener Besatzungsmaechte in das Bewusstsein der Kreter eingemeisselt ist als Symbol fuer Kretas Freiheitswillen.
Einen Willen zur Freiheit, der nicht nur das eigene Leben zu opfern bereit war, sondern in Arkadi durch organisiertes Zusammenwirken von kirchlicher Autoritaet und ziviler Gesellschaft zum Ausdruck gebracht wurde; denn in Arkadi starben sie alle gemeinsam, Partisanen und Moenche, Frauen und Kinder, junge und alte Menschen. Sie alle - gegen 1000 - hatten Schutz im Kloster Arkadi gesucht in der Zeit der verstaerkt ausgebrochenen kretischen Aufstaende gegen die tuerkischen Besatzer um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Eine kurze Zeit lang schuetzen Arkadis maechtige Mauern die darin verschanzten Menschen, zuletzt aber waren sie gegen die heranrueckende 15 000 Mann starke tuerkische Armee ohne jegliche Chance.
Als die tuerkischen Soldaten die geistliche Festung im Begriffe waren zu erstuermen, versammelten sich einem unter Leitung des Abtes des Klosters Gabriel Marinakis gemeinsam und mehrheitlich gefassten Beschluss der Eingeschlossenen folgend beinah 1000 Menschen im dortigen Pulvermagazin, ein Freiheitskaempfer - Kostis Jiamboudakis - der zuvor ausersehen worden war, feuerte jenen Schuss in das Munitionsdepot ab, der das Inferno von Arkadi ausloeste. Ohrenbetaeubende Explosionen muessen die Folge gewesen sein, das gesamte Kloster brannte und ein blutiges Abschlachten dezimierte die Anzahl der Uberlebenden weiter, Abt Gabriel war unter diesen Opfern. Nur etwas mehr als 100 Menschen, unter ihnen Leutnant Ioannis Dimakopoulos, Kommandant des Revolutionskommitees, ueberlebten die Katastrophe, Menschen, die nun jener tuerkischen Herrschaft anheimfielen, der sie durch ihre Verzweiflungstat zu entfliehen suchten.
Die Ereignisse von Arkadi fanden unmittelbar danach internationales Echo, und erstmals waren die europaeischen Grossmaechte auf den verzweifelten zu allem entschlossenen Freiheitskampf der Kreter, ihre kompromisslose Auflehnung gegen die mit brutalsten Methoden agierende tuerkische Besatzungsherrschaft aufmerksam geworden. Erstmals auch schalteten sich in weiterer Folge diese Grossmaechte in die Konfliktloesung auf politischer Ebene ein, aber es sollten noch Jahrzehnte vergehen, bis Kreta tatsaechlich die bitter ersehnte Freiheit, seine Unabhaengigkeit und schliessliche Vereinigung mit Griechenland erlangen sollte.
Was wir heute auf dem Gelaende von Arkadi vorfinden, ist zugleich grosser Ort der Erinnerung und Wallfahrtstaette fuer Glaeubige. Die Klosteranlage wurde teilweise renoviert, die historischen Gebaeude aber zu einem Gutteil in einem Zustand belassen, der die Spuren der Zerstoerung von 1866 sichtbar haelt. Im Innenhof steht das Katholikon, die zweischiffige im 17. Jh. erbaute Klosterkirche, deren Fassade mit ihrer Mischung aus Stilelementen der Renaissance und venezianischer Baukunst zu einer Art Wahrzeichen von Arkadi geworden ist.
Linkerhand geht es durch einen Innenhof in jenes Refektorium, dessen kahle, duestere, von Kampfspuren aufgeladene Atmosphaere das damalige Gemetzel dem Besucher gegenwaertig werden laesst. Und zur Rechten des Katholikons befindet sich das Klostermuseum, in welchem Reste der einstigen Klosterschaetze - Reliquiar, Messgewaender, Ikonen - aufbewahrt werden, zahlreiche von ihnen - darunter die Marienikone "Hoffnung der Verzweifelten" - geben durch ihre fragmentarische und von schwarzen Brandspuren gezeichnete Gestalt ebenfalls Zeugnis von den tragischen Ereignissen um den 9. November 1866. Vor den Umfassungsmauern des Klosters wurde eine ehemalige Windm�hle in ein Beinhaus umgewandelt, in ihm sind Sch�del und Knochen von damals Umgekommenen aufbewahrt, auf einigen sind ebenfalls unverkennbare Zeichen des Kampfgeschehens zu sehen.
Waehrend meines Besuches dieser Gedenkstaette und beim schweigenden Betrachten des Erinnerungsgutes spuerte ich besonders intensiv die Praesenz des christlichen Glaubens, selten habe ich die Naehe von Christus zu seinen Menschen so deutlich wahrgenommen. Und auch mich hat die Botschaft Arkadis tief im Herzen erreicht: Die im Kloster Arkadi unter dem ungeheuren Druck einer aussichtslosen Situation freiwillig in den Tod gegangenen hunderten Kreter - und gerade hier sei auch an jene erinnert, die vielleicht ein Leben in tuerkischer Gefangenschaft dem Tod vorgezogen haetten - haben uns gezeigt, dass ihr Tod zum Tor fuer die Freiheit Kretas geworden ist.
Provatakis, Theocharis: Das Arkadi Kloster. Geschichte. Kunst. Traditionen. Athen. 1986.
M.R. Hecht Hopfner. Wien. 2023. Alle Rechte vorbehalten. |
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