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Agja Roumeli, zwischen
Sougia und Loutro an der Suedkueste Kretas gelegen, ist heute
Durchgangsstation fuer tausende und abertausende Touristen, die nach
durchwanderter Samaria-Schlucht von hier aus mit dem Schiff
entweder in Richtung Chora Sfakion oder nach Palaeochora weiterziehen. Taeglich
am Nachmittag ergiesst sich ihr Strom in den kleinen Ort, welcher sich an
der Stelle befindet, wo sich die maechtigste Schlucht Kretas, zum
Lybischen Meer hin oeffnet.
Im oertlichen Bereich des heutigen Agja Roumeli wurde einst Apollo in einem eigens fuer ihn
errichteten Tempel verehrt und ueber gut ein Jahrtausend ging hier die
antike Stadt Tarrha ihren Geschaeften nach. Der Mythos sagt, der
Tarrhaeische Apoll habe mit der Nymphe Akakallis, einer Tochter des Minos
und der Pasiphae, im Hause des Priesters Karmaenor die Zwillinge
Phylandros und Phylakis gezeugt, die das antike Tarrha gegruendet haben
sollen. Dort, wo heute die Pagnaia-Kirche steht, befand sich vermutlich
der Tempel, in welchem der Gott Apollo angebetet wurde. Tarrha selbst war
eine bluehende Handelsstadt mit eigener Muenzpruegung, die auf ihren Muenzen
eine Wildziege auf der einen und eine Biene auf der anderen Seite
abbildete, und sie war Mitglied des westkretischen Bundes mit dem grossen
Gortyn. Zahlreiche Glasfunde in Grubengruebern, die vom Archaeologen G.
Weinberg freigelegt wurden, leiten unter anderem zur Annahme, dass sich in
Tarrha eine Glasmanufaktur befunden habe und Glasartikel zu den wichtigen
Ausfuhrprodukten zaehlten. Allerdings fuehrt eine andere Interpretation
diese Funde auf ein vor der Bucht gesunkenes Handelsschiff zurueck, von
dem allerdings bislang noch keine weiteren Anhaltspunkte existieren. Um
500 n. Chr. ging die Bluetezeit von Tarrha wahrscheinlich wegen dem Rueckgang
des Handels und dem Erstarken der Piraterie zu Ende.
In juengerer Zeit wurde Agja Roumeli zu einem einsamen Fischerort, wurde
mehrfach von den tuerkischen Besatzern bei ihrem Versuch, in die Schlucht
einzudringen, ueberrannt, besetzt und vernichtet, ein tuerkisches Kastell
hoch oben ueber dem Meer stammt aus dieser Zeit. Im Zweiten Weltkrieg
unterhielten die deutschen Besatzer einen maritimen Stuetzpunkt, zuvor
wurde allerdings noch unter dem Schutz der Alliierten die griechische
Regierung und Koenig Georg ueber Omalos und die Samaria-Schlucht kommend
von dieser Stelle aus nach Aegypten verschifft.
Wie viele kretische Doerfer und Staedte ist demnach auch Agja Roumeli ein
Ort mit jahrtausendealter Geschichte. Goetter und Koenige, Freiheitskaempfer
und Besatzer haben sich eingefunden, und Geschaeftskundige, einfache
Fischer und kleine Bauern haben ihren Lebensunterhalt erwirtschaftet.
Heute gehoert Agja Roumeli - am Nachmittag zumindest - eindeutig den
Touristen und jenen Kretern, die den Tourismus als Einkommensquelle fuer
sich nutzbar zu machen lernten. Auch kleine Pensionen stehen zur Verfuegung
fuer jene, die ueber Nacht bleiben oder aber ihren ganzen Urlaub hier
verbringen wollen. Touristische Infrastruktur ist, zumindest was das
Angebot an Tavernen und Einkaufsmoeglichkeiten anlangt, ausreichend
vorhanden.
Wer sich entschliesst, einige Tage hier zu bleiben, und zudem noch am
Wandern Freude hat, kann beispielsweise in der Frueh in die
Samaria-Schlucht hineinmarschieren, so weit wie eben das Interesse fuehrt.
Um diese Zeit sind noch nicht viele Menschen unterwegs und der
morgenfrische Atem der Samaria haucht an des Wanderers Wange. Ein anderer
Pfad fuehrt entlang der Kueste in Richtung Osten, nach etwa drei
Kilometern erscheint eine winzige Kapelle einige Meter vom Meer entfernt:
Es ist Ajos Pavlos, und die Legende berichtet, dass an diesem Kuestenabschnitt
der Apostel Paulus auf seinem Weg nach Rom an Land gegangen sei. Ihm zu
Ehren wurde die Kapelle, die als Kreuzkuppelkirche konstruiert ist, um das
Jahr 1000 n. Chr. vermutlich auf Initiative von Ioannis o Xenos errichtet.
Trotz des touristischen Hochbetriebes in Agja Roumeli am Nachmittag kann
der Urlauber hier Ruhe und Erholung finden. Einsame Strandabschnitte gewaehren
ungestoertes Badevergnuegen, das Fehlen von Verkehrslaerm und ein traumschoenes
Naturpanorama beruhigen Geist und Gefuehl, und wenn die letzte Faehre am
Spaetnachmittag mit Touristenscharen die Bucht verlassen hat, wird es
still und ruhig in Agja Roumeli und die Stimmen aus der Tiefe der
Geschichte, die Gesaenge von Wind und Meer sind wieder deutlicher zu hoeren.
Vassilakis, Antonis: Kreta. Geographie - Geschichte - Museen -
Archaeologische Staetten und Monumente. Athen. o.J.
Guanella, Hanni: Kreta. Ein Reisefuehrer. 3. Aufl. Zuerich. 1972.
Galini, Elena: Lebendiges Kreta. Mythos, Geschichte und Gegenwart eines
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Die Schlucht von Samaria heute und gestern. Ein vollstaendiger Fuehrer ...
Athen. o.J.
Schneider, Lambert: Kreta. Dumont Kunstreisefuehrer. Koeln. 1998.
M.R. Hecht Hopfner. Wien. 2023. Alle Rechte vorbehalten.
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