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Azogires Ort der 99 Heiligen Vaeter
von Margaretha Rebecca Hecht Hopfner |
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Etwa 7 km in nordoestlicher Richtung von Palaeochora aus und zu dieser Kommune gehoerig liegt Azogires eingebettet in Huegeln und Haengen. Dorthin hatte ich vor zu wandern, zuerst auf der Hauptstrasse und dann etwa nach zwei bis drei Kilometern rechts hinauf abzweigend die Seitenstrasse entlang. Ploetzlich hielt ein Auto an, eine vertrauenserweckende maennliche Gestalt fragte mich nach meinem Wanderziel und lud mich, denn der Fahrer wollte ebenfalls nach Azogires, sogleich zum Mitfahren ein. Mein Mut war gross genug, war ich ja in Kreta und nicht in Deutschland oder Oesterreich, und so stieg ich ein in das fremde Auto.
Eine gute Entscheidung, wie sich spaeter herausstellte, denn in Azogires, diesem vertraeumten Plaetzchen, angelangt, fassten wir nach einer kurzen Erfrischung im Alpha-Restaurant, einem Zwei-Mann-Betrieb bestehend aus Grossvater und dem aus den Vereinigten Staaten von Amerika zurueckgekehrten Enkel, den Entschluss, gemeinsam die gut 2 km entfernte Hoehle der 99 Hl. Vaeter aufzusuchen. Dorthin waere ich ohne den zuvorkommenden deutschen Kretaliebhaber damals bestimmt nicht gekommen, denn der Besuch dieser Hoehle stand nicht auf meinem Tagesplan. Der Anstieg verlief zunaechst auf breitem Schotterweg, und danach gings durch das Gestruepp, die auf Kreta so wohlbekannte und weitverbreitete macchia. Schliesslich standen wir vor dem Eingang zur Hoehle der 99 Hl. Vaeter, der sich noch einmal gut hinter maechtigen Felsformationen versteckt hielt. Durch einen langgezogenen, aber engen Felsspalt gaehnte uns der finstere Abgrund entgegen, drei Eisentreppen ragten in die Tiefe, und auf ihnen stiegen wir vorsichtig hinunter in den Schlund. Sobald ich wieder Boden unter meinen Fuessen spuerte, schickte ich meinen Blick in alle Richtungen, tiefer hinein ins Dunkel, die Waende hoch und zurueck zum Eingang, zum Lichteinfall. An der Felswand zur Rechten wurde ein kleines Altaerchen sichtbar, darauf ein Gemaelde, das die 99 Hl. Vaeter darstellte, und ich versuchte mir vorzustellen, wie diese heiligen Maenner seinerzeit diesen Abstieg geschafft hatten, wie sie wieder emporgeklommen sein mochten, um sich mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen, wie lange sie hier wohl gelebt, gebetet und diskutiert hatten ...
Die Legende berichtet uns die Geschichte der 99 Hl. Vaeter: Von Zypern aus machten sich unter der Fuehrung des Hl. Johannes Ende des 13., Anfang des 14. Jahrhunderts mehr als dreissig Moenche auf eine Missionsreise, die sie ueber zahlreiche Orte in Zentralasien und in weiterer Folge nach einem Zwischenhalt auf - der Kreta suedlich vorgelagerten Insel - Gavdos nach Kreta selber fuehrte. Waehrend der gesamten Reise schlossen sich ihnen - so der Bericht - immer mehr fromme Maenner an, sodass ihre Zahl schliesslich 99 betrug. Gemeinsam mit ihrem hoechsten geistig-religioesen Oberhaupt - Jesus Christus - bildeten sie nun eine runde Hundertschaft. In der Naehe des heutigen Ortes Paleochora betraten die Heiligen kretischen Boden und bewegten sich landeinwaerts in noerdlicher Richtung. Etwa 9 km von der Kueste entfernt entdeckten sie jene Hoehlen nahe dem Dorf Azogires, die bis zum heutigen Tag mit ihrem Verweilen dort in Verbindung stehen, in ihnen haben die 99 Hl. Vaeter bis zu ihrem Tod gelebt. Von einer - Charakas - wird behauptet, sie haette schon in der Antike als Grabstaette gedient, an ihrer Stelle wurde im 19. Jahrhundert das heute noch bestehende Kloster der Hl. Vaeter erbaut, dessen Kirchenfest am 7. Oktober gefeiert wird, und das ueber ein eigenes Klostermuseum verfuegt. Eine andere Hoehle - Soure - befindet sich in etwa 535 m Seehoehe und liegt nordwestlich von Azogires, es handelt sich um jene Hoehle, von der ich eingangs schrieb. Der Hl. Johannes selbst habe sich damals aus uns nicht naeher bekannten Gruenden von seinen Gefaehrten getrennt und sich schliesslich auf dem Akrotiri bei Chania niedergelassen.
Wo immer wir also unseren Fuss auf kretische Erde setzen, betreten wir historischen, ja heiligen Boden. Im Mutterschoss Kretas - seinen Hoehlen - suchten die 99 Hl. Vaeter Zuflucht und Schutz, Kreta, das Land der Grossen Mutter, hat sie ihnen gewaehrt ... Wie Kretas Geschichte als Ergebnis der weiteren historischen Entwicklung auch zu unseren geistigen Lebensgrundlagen gehoert und fuer viele in transformierten Formen zu einer Kraftquelle geworden ist ...
Folgendem Werk habe ich wichtige Hinweise fuer diesen Text entnommen:
M.R. Hecht Hopfner, Wien. 2025. Alle Rechte vorbehalten. |
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