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Phaistos
Minoisches Zentrum in der Messara-Ebene
von Margaretha Rebecca Hecht Hopfner |
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Der auf einem Huegelruecken inmitten der fruchtbaren Messara-Ebene erbaute Palast von Phaistos im Sueden Kretas ist nach Knossos die zweite der grossen bislang entdeckten derartigen Palastanlagen auf kretischem Boden. Von hier aus schweift das Auge ueber die weitlaeufige Messara, wo im Osten der Asterousia-Gebirgszug den Blick auf das Lybische Meer verstellt, und im Norden trifft es geradewegs auf die beinah gleichhohen Gipfel Mavri (1981m) und Nikita (1917m) im Ida-Massiv, welches dort in Gestalt eine Doppelhorns erscheint und wohl deshalb den minoischen Bauherrn als Ausrichtungspunkt fuer die Hauptachse des grossen Hofes von Phaistos diente.
Der bereits Ende des 19. Jh.s vom Italiener Frederico Halbherr entdeckte Palast wurde groesstenteils am Anfang des 20. Jh.s ausgegraben. Eine weitere systematische Ausgrabungsphase erstreckte sich ueber den Zeitraum der 50er und 60er Jahre des 20. Jh.s. Ebenso wie in Knossos entdeckten die Archaeologen Ueberreste von zwei grossen minoischen Bauphasen bzw. Epochen, den aelteren Palast der nach ihm so benannten aelteren Palastzeit von ca. 2100 bis 1700 v. Chr. und den noch prachtvolleren nachfolgenden Palast der sogenannten Juengeren Palastzeit von ca. 1700 bis 1450 v. Chr. Die Gebaeudekomplexe der Juengeren Palastzeit wurden zu einem grossen Teil jedoch nicht ausschliesslich auf den Fundamenten des alten - zerstoerten - Palastes erbaut.
Beide Palaeste fielen katastrophischen Ereignissen zum Opfer, die ganz Kreta erfassten, ueber deren Ursache die Forschung bislang aber noch keine eindeutige und abschliessende Antwort gefunden hat. So werden schwere Erdbeben und in deren Folge verheerende Braende ebenso in Erwaegung gezogen wie, zumindest fuer das Ende der zweiten Palastzeit, das Eindringen von mykenischen Festlandkriegern in ganz Kreta. Eine fuer eine gewisse Zeit angenommene Ursache, naemlich der Vulkanausbruch von Santorin um ca. 1650 v. Chr., dem zu Folge eine gigantische Flutwelle die Verwuestungen in Kreta bewirkt haben soll, kann auf Grund rein zeitlicher Unvereinbarkeit wahrscheinlich ausgeschlossen werden.
Wie alle anderen Palastanlagen wurde auch der Palast von Phaistos nicht durch Befestigungsanlagen geschaetzt, was die Forscher darauf schliessen laesst, dass die Minoer eine unangetastete Vorrangstellung als Seemacht im Mittelmeer innehaben mussten und so keinen Angriff von aussen befuerchteten.
Der Palast selbst ist wie die anderen minoischen Palaeste in der fuer sie typischen unsymmetrischen Anordnung erbaut, zahlreiche Raeume gruppieren sich um zwei grosse Hoefe, fuegen sich organisch aneineinander und ineinander, verschlingen zu einem Ganzen. Werkstaetten und Magazine wurden ebenso entdeckt wie Wohnraeume, Kultbassins, Freitreppen und Prozessionsstrassen, die auf die zentrale kultische Bedeutung der Anlage schliessen lassen.
In Phaistos wurden auch zahlreiche Artefakte gefunden, unter ihnen der beruehmte Diskos von Phaistos, jene runde und mit Zeichen hieroglyphischer Schrift bestueckte Tontafel, deren Entschluesselung den Wissenschaftern in Ermangelung eines vergleichbaren Textes ebenfalls bis zum heutigen Tag nicht gelungen ist. Vermutet wird, dass es sich um einen religioesen Hymnus handelt, da bestimmte Zeichengruppen sich wiederholen und unter Umstaenden auf eine Art Refrain schliessen lassen. Heute ist der Diskos von Phaistos im Archaeologischen Museum in Heraklion zu bewundern. Weiter zu Tage gefoerdert wurde auch Tongut im beruehmten Kamares-Stil, welcher eine hochentwickelte Tonverarbeitung voraussetzte, so feinwandig, fragil und extravagant in der kuenstlerischen Gestaltung sind manche Gegenstaende gefertigt.
Hierher kommen zwar auch, aber bei weitem nicht so viele historisch und sonstig Interessierte wie nach Knossos. So konnte ich das Gelaende ganz in Ruhe und allein erkunden, konnte den wunderbaren Ausblick geniessen, ueber Treppen steigen, in Raeumen verweilen und meine Phantasie auf eine Zeitreise schicken. Auch hierher moechte ich auf jeden Fall wieder kommen, um Geschichte Kretas, die Geschichte der aeltesten Hochkultur Europas in meinem Kopf lebendig werden zu lassen.
Den folgenden Werken habe ich wichtige Informationen zu diesem Text entnommen:
M.R. Hecht Hopfner. Wien. 2025. Alle Rechte vorbehalten. |
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