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Menschen, die mich begleitet haben
Nach dem frühen Tod meiner Eltern, meine Mama starb am 27. Jänner 1965 und
mein Däda am 6. April 1975, waren mir meine engsten und auch einzigen
Familienangehörigen genommen. Denn nach österreichischem Recht besteht nur
eine rechtliche Verwandtschaft zwischen dem/der Adoptierten (Wahlkind) und den
Adoptiveltern (Wahleltern) und deren Nachkommen, in vermögensrechtlicher
Hinsicht bleibt eine Rechtsverwandtschaft zurück zu den leiblichen Eltern
aufrecht, jedoch besteht keine wie immer geartete rechtliche Beziehung familialer Natur zwischen
dem/der Adoptierten und den weiteren Familienmitgliedern der Adoptiveltern,
sogenannten Grosseltern, Onkeln, Tanten, Nichten, Neffen etc. Dennoch gab und gibt es
einige wenige Menschen, die mir über all die Jahrzehnte, die seither ins Land
gekommen sind, die Treue gehalten und mich mit ihrer Liebe begleitet haben.
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Aus den Familienkreisen meiner Adoptiveltern war es die Schwester
meines Vaters, Sr. Maria Valeria Hopfner, die bis zu ihrem Tod
vor wenigen Jahren den Kontakt zu
mir und meiner Tochter aufrecht hielt. Tante Marie, so nannte ich sie, hatte viel vom Wesen meines Vaters in sich, oder umgekehrt er von ihrem, aus
welcher Perspektive man das auch sehen mag. Sie war eine Frau mit reinster
Herzenskultur, ihre Gegenwart vermittelte mir immer in kürzester Zeit das
Gefühl, dass es das Gute in der Welt wirklich gibt. Von den wenigen Geschenken,
die sie im Lauf ihres Ordenslebens erhalten hatte, schenkte sie regelmäßig die
ihr passend erscheinenden zu Weihnachten an mich und Carla weiter. Und so habe ich einige sehr nette Erinnerungen an
meine liebe Tante.
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Im Schuljahr 1969/1970 war ich Schülerin in der 4. Klasse
der Hauptschule des Institutes St. Josef in
Feldkirch. Hier war Sr. Eugenia
Maria Mayer meine Lehrerin, und ab diesem Zeitpunkt hat sie - mein Vater
hatte ihr noch selber von meinem Schicksal berichtet - eine wichtige
erzieherische Rolle in meinem Leben übernommen. Bis zum heutigen Tag ist
sie mir mütterliche Begleiterin geblieben, ihr habe ich die wichtigen
Neuigkeiten in meinem Leben mitgeteilt, wollte ihre Stellung dazu
wahrnehmen, und ihr habe ich letztlich jedes meiner Geheimnisse
anvertraut. Ihr bin ich also stets zugelaufen, wie ein Kind, das sich im
Leben umsieht und immer wieder zu seiner Mutter zurückkommt, um sich zu
vergewissern, dass ein sicherer Grund für sein Leben da ist. Ein Blick in
die Augen von Sr. Eugenia Maria genügte mir, denn er sagte mir
unmissverständlich: "Es ist gut, dass du in dieser Welt bist. Du
bist ein geliebtes Wesen."
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Ab dem Schuljahr 1970/1971 besuchte ich für die folgenden vier Jahre das
Musisch- pädagogische Realgymnasium (heute Bundes-Oberstufen-Realgymnasium - BORG)
in Feldkirch, welches ich mit der Matura abschloß. Danach entschied ich mich
für ein Studium der Geschichte und Germanistik zunächst an der Universität
Salzburg, das Studium selbst schloss ich mit dem Doktorat -Dissertation: Kinder
in Auschwitz - an der Universität Wien 1993 ab. Da ich ein Kind allein aufzog,
mir ein extrem schwieriges und in jeder Hinsicht anstrengendes Thema für die
Dissertation ausgesucht hatte und dann zudem noch einer Vollzeitarbeit als
Pfarrsekretärin in der Pfarre
St. Michael, Wien 1, nachging, hat sich mein Studium doch einigermaßen in
die Länge gezogen. Schließlich konnte ich - weil auch hier Menschen zugegen
waren, die immer an mich und meine Fähigkeiten geglaubt haben und die mich
tatkräftig unterstützt haben - den Studienabschluss erreichen.
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P. Josef Bachmann SJ, damals Lehrer am bekannten
Jesuitenkolleg Stella
Matutina in Feldkirch, war während meiner Zeit im Gymnasium auch mein
Lehrer in den Fächern Religion, Philosophie und Psychologie. Wie oft hat
er sich über seine schulischen Verpflichtungen hinaus Zeit für mich
genommen, um in die Tiefe gehende Gespräche mit mir zu führen, in denen
sowohl meine privaten Anliegen zur Sprache kamen als auch ausführlich
sämtliche Fragestellungen, die mich gerade im Zusammenhang mit dem
christlichen Glauben und meinen weitergehenden philosophischen,
psychologischen und gesellschaftspolitischen Interessen und
Fragestellungen beschäftigten, erörtert wurden.
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P. Bachmann, wie wir ihn alle nannten, hat wie wohl kaum ein anderer
Mensch in meinem Leben die Art meines Denkens, meines Herangehens an
Problemstellungen jedweder Art geprägt und ist mir ebenso bis zum heutigen Tag
ein väterlicher Begleiter geblieben. Seine seelsorglichen Qualitäten, die von
einer tiefen Spiritualität durchdrungen sind und von einer nur äußerst selten
in diesem Maß anzutreffenden Fähigkeit, sich wirklich in einen anderen
Menschen hineinfühlen und hineindenken zu können, seine aufrichtige Toleranz
haben mich durch so manche Krisenzeit getragen, mich durchhalten und meine Ziele
erreichen lassen. P. Bachmann hat mir eine Vorstellung von der Würde des
Menschen und somit auch von der Würde meiner Person ins Leben mitgegeben, und
das zähle ich zu den wichtigsten seiner Geschenke an mich!
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Während meiner Tätigkeit als Pfarrsekretärin in der
Michaelerkirche in Wien 1 arbeitete ich an meiner Dissertation zum Thema Kinder in Auschwitz. Hier
erhielt ich die Unterstützung von P. Dr. Waldemar Posch SDS, der
Kirchenhistoriker und Provinzarchivar des Salvatorianerordens war. P.
Waldemar las die entstehenden Texte meiner Arbeit mit und ermutigte mich
fortwährend zu deren Fertigstellung. Auch hat er in vielen
Gesprächen zur Differenzierung meiner Sichtweisen beigetragen und ist
wohl tatsächlich als einer der Geburtshelfer meiner Dissertationsarbeit anzusehen.
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Dr. Izabela Horodecki, die aus dem wunderschoenen Krakau in Polen
stammende, hier in Wien lebende und arbeitende klinische Psychologin und Psychotherapeutin, ermöglichte
mir in den letzten Jahren durch ihre feinsinnige und höchstqualifizierte therapeutische Unterstützung und Begleitung neben
anderem erstmals die kontinuierliche Auseinandersetzung mit der
Ursprungssituation meines Lebens. Sie war und ist es, die mir die
unausweichliche zentrale Bedeutung meiner leiblichen Herkunft in meinem
Leben klarmachte. Gemeinsam mit Dr. Horodecki war es mir schließlich
möglich, mich abermals mit der Ausgangssituation meines Lebens zu
befassen, Tatsachen zu entdecken, die mir bis dahin unbekannt
beziehungsweise in ihrer Tragweite nicht deutlich genug bewußt
waren. Erst seither bin ich emotional in die Lage versetzt, biografisch nötige
Abgrenzungen und Klarstellungen auch rechtlicher Natur herbeizuführen.
Die Kreation dieser Hompage sehe ich ebenfalls als eines der Ergebnisse unserer
therapeutischen Zusammenarbeit. So bin ich nun für die Zukunft sehr
zuversichtlich, diesen Bereich meines Lebens in geeigneter Weise
meinem Identitätsgefüge zu integrieren. ...
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Schließlich erweise ich von Herzen einem lieben und verehrten väterlichen Freund und nunmehrigen Adoptivvater Alexander Hecht s.A. - einem Alt-Wiener und Alt-Österreicher - die Referenz. Auschwitz hat uns
zusammengeführt: Denn er hat den Holocaust als rassisch verfolgter Jude
überlebt, seine Schwester ist mit ihrer Familie
in Auschwitz ermordet worden, und ich
schrieb an meiner Dissertation „Kinder in Auschwitz“, als wir uns
kennenlernten. Auch gerade sein beständiger Zuspruch hat wesentlich dazu
beigetragen, dass ich diese schwierige und in jeder Hinsicht anstrengende
Arbeit zu Ende führen konnte. Wie schon bis dahin war er auch in den Folgejahren für mich und meine
Tochter stets da, in einer Zeit, als - von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen - Familie, Freund und Feind außer Sichtweite
geraten waren, nachdem man/frau mich in einer der allerschwierigsten Phasen meines Lebens von allen Seiten und auf allen Ebenen jahrelang gezielt und vollkommen im Stich gelassen hatte und so manch eine/r mir ebenso gezielt "den Rest" geben wollte. Durch ihn ist viel von der Welt meiner Eltern wieder in mein Leben hereingekommen, wie sie gehört er zu jenen in meinem Leben spärlich aber doch vorhandenen Menschen, durch die ich erfahren habe, dass es gut ist, dass es mich in dieser Welt gibt und dass mein Leben, das von Anfang an nicht sein sollte, ein wertvolles ist. Aber
ich danke ihm, der sich aus ganzem Herzen zu seinem Judentum bekennt, auch durch die vielen, vielen Gespräche, die wir miteinander
geführt haben, ein vertieftes Verständnis für das
Judentum und dessen hohen Wert als wichtigste Grundlage für mein besseres Verständnis meiner christlich geprägten Erziehung. Sein Tod im Jahr 2008 ist mir ein unersetzlicher Verlust. |
Margaretha Rebecca Hopfner, Wien 2003-2017 |
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